Historie Inselplatz

Zwei Systeme versuchten sich schon an der Neubebauung des Inselplatzes. Die Nazis und die SED rissen ab und wurden doch jäh durch den Gang der Geschichte an der Umsetzung ihrer Pläne gehindert. Nun haben wir ein neues System, welches plant und abreißen will und zum Teil schon getan hat. Ob es diesmal gelingt oder sich der Lauf der Zeit wieder in den Weg stellt?

An der Stelle der Camsdorfer Brücke war eine Furt, welche die bedeutendste Saalequerung in der Region war. Spätestens im 13. Jahrhundert dann wurde auf dem Inselplatz gesiedelt. Außerhalb der Stadtmauer liegend, waren auf dem Areal viele Handwerker angesiedelt. Der Löbdergraben war eine Wasserlache, die den Inselplatz eben zur Insel machte und dem Areal Namen “Klein-Venedig” verlieh. Der Mühlgraben mit den vier Mühlen wurde von den Gerbern genutzt. Es gab viele Wohnhäuser, Gastwirtschaften, ein Spital. Auf der Seite zum Fluss hin waren viele Gärten und Grünflächen.

“Klein Venedig” und die alte Bebauung

1938/39 rissen die Nazis viele Gebäude an dem Mühlgraben ab, schütteten den Graben zu und bauten wegen des 2. Weltkrieges jedoch nicht neu. In den 1970ern kam dann die SED mit ihrer Stadtplanung. Weitere Häuser wurden wegen der Verlängerung des Fürstengrabens zum Lutherplatz abgerissen. In den 80ern wurde wieder abgerissen, ein einstmals lebendiger Ort verschwand und es wurde mit dem Kaufhausbau begonnen. Doch dann kam die Wende dazwischen, die Horten AG führte das Projekt weiter. Da das Kaufhaus nicht mehr in seine Zeit passte, wurde es nur sechs Jahre nach der Eröffnung 1990 wieder geschlossen und 2010/11 schließlich abgerissen.

Als einziges Haus überlebte jenes der Insel die Abrisswellen. 1923 als Beamtenwohnhaus gebaut, überstand es sogar eine Bombe 1945, welche die nördliche Haushälfte zerstörte. In den 50ern wieder aufgebaut, konnte es wieder ganz von Familien belebt werden. Nach der Wende übernahm die Ernst-Abbe-Stiftung das Haus, hatte jedoch kein langfristiges Interesse es zu halten und ließ es verfallen. So wurde es zunehmend für WGs interessant. Lange Zeit lebten schon Freaks und Kulturschaffende in dem Haus, die auch mal feierten.

Hermann Reinsch

2006 zog dann eine WG ein, welche den Anfang für die Insel, wie wir sie heute kennen, legte. Der Keller und der Garten wurden begonnen umzubauen. Bis 2008 lebte noch Hermann Reinsch als letzter seiner Familie in dem Haus. Der frohmütige Mann hohen Alters und ehemalige Dirigent des Zeiss-Akkordeonorchesters freute sich über das lebendige Treiben im Haus. Er verstand sich gut mit den jungen Menschen und meinte wegen der Lautstärke bei Partys im Keller, er nehme dann sein Hörgerät raus und könne gut schlafen. Weit über 80-jährig verbrachte er dann seine letzten Lebensmonate im Altersheim. Seine Freundlichkeit und Offenheit bleibt uns in Erinnerung.

Mit seinem Auszug wurde auch die letzte Wohnung mit Insulaner*innen bezogen und das Haus wuchs zu einer Gemeinschaft zusammen. Die Türen stehen allen offen, Kosten werden geteilt und im Plenum werden gemeinsam alle wichtigen Fragen des Wohnens wie des Projektes entschieden. Seit 2006 geschahen hier so viele Dinge – unzählige Beteiligte, Künstler*innen, Gäste, Freund*innen gestalteten diesen wundersamen Ort mit und ließen ihn leben.